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Landwirtschaft in Brandenburg Von EU-subventionierter Bodenspekulation zu ökologischem Landbau mit regionaler Wertschöpfung

Die Landwirtschaft in Brandenburg war aufgrund ertragsschwacher Sandböden und geringer jährlicher Niederschlagsmengen schon immer geprägt von erschwerten Anbaubedingungen. Nicht umsonst führte der sandige, karge Boden der Mark Brandenburg zu dem liebevoll-spöttischen Spitznamen „Streusandbüchse“. Die für erfolgreichen Ackerbau daher notwendige frühe Auseinandersetzung mit Bodenfruchtbarkeit und Humuswirtschaft schaffte nach und nach ein besseres wissenschaftlich-biologisches Verständnis in diesem Bereich. Schon Ende des 19. Jahrhunderts bildeten sich in Brandenburg die ersten Ansätze des ökologischen Landbaus heraus. So entstand bereits 1928 der erste biologisch-dynamische Hof Deutschlands in Bad Saarow. Der Hof Marienhöhe wird auch heute noch nach biologisch-dynamischen Grundsätzen bewirtschaftet. Während die Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Brandenburg weiter zurückgegangen ist, konnte bei den ökologisch wirtschaftenden Erzeugern seit 2010 ein Anstieg um mehr als 20 % auf über 800 Betriebe verzeichnet werden. Dennoch ist der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche mit aktuell ca. 13 % immer noch viel zu gering, um die Nachfrage nach regional erzeugten, biologisch angebauten Lebensmitteln zu decken. Während die Potsdamer Landesregierung den Ökolandbau weiter fördern und ausbauen will - bis 2024 soll die Fläche auf 20 % steigen - ist von Seiten der Europäischen Union kein großer Reformwille erkennbar. 

Agrarwende der EU lässt weiter auf sich warten

Der im Oktober ausgehandelte Kompromiss  der EU-Agrarminister sieht auch für die nächste Förderperiode Flächenprämien vor, die weitgehend ohne Auflagen ausgezahlt werden sollen. Lediglich 20 % der Gelder der sogenannten 1. Säule der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) sollen nicht mehr an die reine Fläche, sondern an Leistungen für die Umwelt geknüpft werden. Hierdurch würden aber auch künftig wieder überwiegend konventionell arbeitende Großbetriebe weiterhin für klima- und umweltschädliches Wirtschaften belohnt.

Der Brüsseler Klimakommissar Timmermanns zeigt sich enttäuscht und will die Reform so nicht durchgehen lassen: "Heutzutage bekommen 20 % der Landwirte 80 % der europäischen Gelder. So können wir nicht weitermachen. Ich muss darauf bestehen, dass mehr Geld zu den Landwirten geht und nicht nur zu den Großbetrieben."

Hohe Bodenpreise durch Flächenprämien und Spekulation 

Auch für Brandenburgs Landwirte erhöht die ungerechte Verteilung der Fördergelder den Druck. Denn Flächenprämien haben zu steigenden Pacht- und Landpreisen geführt. In der Folge müssen kleine Betriebe aufgeben, die nicht genug erwirtschaften können, um die hohen Bodenpreise zu bezahlen. Diese haben sich in Brandenburg von ca. 2.400 €/ha in 2001 auf rund 12.400 €/ha in 2015 mehr als verfünffacht.

Der Brandenburger Rinderzüchter Helmut Querhammer kritisiert in einem Interwiew mit Slow Food Deutschland: "Dadurch, dass es keine Kappung der EU-Agrarförderung für Großbetriebe gibt und die Direktzahlungen nach Hektar gezahlt werden, verstetigt sich das Modell der intensiven Landwirtschaft und begünstigt das Sterben kleinbäuerlicher Betriebe. Kleinen Betrieben wird einfach das Land weg gepachtet oder gekauft, oft von Investoren, die nicht mal aus dem Agrarsektor kommen." 

Die Agrarstruktur in Brandenburg mit vergleichsweise großen Betrieben und die anhaltende Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre haben zusätzlich zu dieser Entwicklung beigetragen. Viele aus Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) hervorgegangene Großbetriebe wurden zu Spekulationsobjekten und gingen an überregionale Investoren. Wenn diese ihren Sitz nicht in Brandenburg haben, gehen die Subventionen der EU für das Land verloren und es findet keine Wertschöpfung in der Region statt.

Agrarstrukturgesetz soll Bodenspekulation entgegentreten

Mit einem Agrarstrukturgesetz  will  Brandenburgs Landwirtschaftsminister Vogel der Bodenspekulation etwas entgegensetzen und ortsansässigen Landwirten bessere Perspektiven und Sicherheit geben.

„Ziel ist eine regional verankerte Agrarstruktur, die die Wertschöpfung in Brandenburg hält. Deshalb wird das Land seine eigenen gesetzgeberischen Möglichkeiten nutzen und das Landpachtgesetz, Grundstückverkehrsgesetz sowie das Reichssiedlungsgesetz an die hiesigen Verhältnisse anpassen und auf eine neue, zeitgemäße Grundlage stellen“, so Vogel.

Gerade für den Ökolandbau ist die Wertschöpfungskette in Brandenburg noch sehr lückenhaft. Es fehlt nicht nur an biologisch bewirtschafteten Flächen, sondern auch an Verarbeitungsunternehmen, Wissen zum Anbau, Lager- und Aufbereitungskapazitäten sowie einer koordinierten Vermarktung. Um im Bereich Kartoffel- und Gemüseanbau diese Lücke zu schließen, haben sich im Rahmen eines EU-geförderten Forschungsprojekts 20 landwirtschaftliche Betriebe und 4 Unternehmen des nachgelagerten Bereichs zusammengeschlossen. Eingesetzt werden Mittel aus dem Förderprogramm Europäische Innovationspartnerschaften in der Landwirtschaft (EIP-AGRI).

EIP-Projekt "Regionales Bio-Gemüse aus Brandenburg"

Unter der Leitung der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) und mit wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) soll eine wettbewerbsfähige, nachhaltige, rentable und skalierbare Bio-Gemüseproduktion in Brandenburg auf- und ausgebaut werden. Seit dem Projektstart im Januar 2018 wurden unter anderem Beratungsangebote wie Fachveranstaltungen, Mentoring und Exkursionen etabliert, um Landwirten die Überwindung von Einstiegsbarrieren in die Bio-Gemüseproduktion zu ermöglichen und Produktions-, Verarbeitungs- und Logistikprozesse zu koordinieren.

Anlässliches eines von dem Projekt organisierten Bio-Kartoffelfeldtags mit 50 Teilnehmern erläutert Brandenburgs Agrarstaatssekretärin Silvia Bender: „Brandenburg hat eine lange Tradition des Kartoffelanbaus, an die wir wieder stärker anknüpfen wollen. Wir wollen Hürden für Anbau und Vermarktung identifizieren und Lösungen aufzeigen, wie die landwirtschaftlichen Betriebe der Region die Potenziale des Berliner Marktes besser erschließen können. Genau hier setzt das vom Landwirtschaftsministerium geförderte EIP-Projekt „Regionales Bio-Gemüse aus Brandenburg“ an. Ziel des Projektes ist es, eine langfristige, rentable Bio-Gemüseproduktion in Brandenburg auf- und auszubauen, um die Wertschöpfung der Landwirtschaftsbetriebe zu steigern und in Brandenburg zu halten.“

Zwölf landwirtschaftliche Betriebe des EIP-Projekts wollen in den Anbau von Bio-Kartoffeln einsteigen oder die Produktion ausweiten und diese professionalisieren. So konnte die Anbaufläche für Bio-Kartoffeln innerhalb des Projekts bisher mehr als verdoppelt werden. Teilnehmer ist auch Johann Gerdes mit seinem Landwirtschaftsbetrieb in Steinhöfel/Beerfelde, an dem die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg sich kürzlich beteiligt hat. Um seinen Betrieb weiter zu diversifizieren, soll der Bio-Kartoffelanbau zukünftig in den Anbau der bereits vielfältigen Fruchtfolge auf dem Beerfelder Hof integriert werden. Neben dem Kartoffel-Anbau will Gerdes sich auch mit den Themen Beregnung sowie Lagerhaltung beschäftigen.

"Alle Ebenen - von der EU über die Landesregierung bis zur Kreisverwaltung - müssen sich eine regionale und ökologischere Landwirtschaft auf die Fahnen schreiben, um das Höfesterben zu stoppen. Zusätzlich braucht es aber auch das private Engagement sehr vieler Akteure, um die Agrarwende in Brandenburg zu schaffen. Der Politik alleine wird das nicht gelingen", so Jochen Fritz, Vorstand der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg und Bio-Bauer in Werder/Havel.

Quellen: Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg; Amt für Statistik Berlin-Brandenburg; Bio, fair und regional, Ökologischer Landbau in Brandenburg, Publikation des Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (MLUL); Süddeutsche Zeitung; tagesschau.de; Der Tagesspiegel; meine-landwirtschaft.de; biogemuese-brandenburg.de / Dezember 2020

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