Neue Potenzialstudie zeigt: Flächen für Ausbau der Windkraft an Land sind ausreichend vorhanden Sachsen-Anhalt an der Spitze der TOP 5, Herausforderungen für Stadtstaaten
Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel verankert, dass zwei Prozent der bundesweiten Landesfläche für die Nutzung der Windenergie bereitgestellt werden sollen. Proteste dagegen gab es reichlich, vor allem aus den süd- und ostdeutschen Bundesländern.
Eine aus dem Jahr 2011 stammende Studie zur Ermittlung der Flächenpotenziale für die Windenergienutzung an Land wurde nun aktualisiert. Gemeinsam zeigen das Fraunhofer IEE, der Bundesverband WindEnergie BWE e.V. und das Umweltplanungsbüro bosch&partner, dass in allen 16 Bundesländern bei konsequenter Ausweisung ausreichend Flächen verfügbar sind, um das Mindestziel von zwei Prozent der Bundesfläche für die Nutzung der Windkraft zu erreichen.
Potenzialstudie identifiziert mehr als genug Platz für den Ausbau der Windenergie
Auf Basis einer bundesweiten Raumbewertung hat die Neuauflage der Studie aktuelle Potenzialflächen für die Windenergienutzung identifiziert. Dazu wurden zunächst alle Flächen ermittelt, die kategorisch ausgeschlossen werden müssen, wie z.B. Siedlungs- und Naturschutzgebiete oder Industrieflächen. Die danach verbliebenen Flächen wurden in sechs verschiedene Konfliktrisikoklassen von Klasse 1 (kein Konfliktrisiko) bis Klasse 6 (faktisch nicht nutzbar) eingeteilt. Je nach Risikoklasse wurden die entsprechenden Anteile der Flächen für die Windenergiennutzung berechnet: Von den Flächen in Klasse 1 wurden so 100 Prozent aufgenommen, von Klasse 4 nur 20 Prozent und von Klasse 6 nuII Prozent. Das Ergebnis: In den Flächenländern gibt es nachweislich mehr als genug Platz für den Ausbau der Windenergie.
"Gemäß dieser Analyse sind 26,1 Prozent der Bundesfläche (93.268 km2) keine Ausschlussflächen", stellt daher auch Dr. Carsten Pape, Leiter Szenarien und Systemmodellierung des Fraunhofer IEE, fest.
Lediglich die Stadtstaaten haben ein Problem, zwei Prozent ihrer Fläche für die Windenergienutzung bereitzustellen. Aber auch hier gilt: Potenziale sind vorhanden.
„Zusätzliche Optionen ließen sich durch die Nutzung der Windenergie in Industriegebieten und konfliktarmen Gewerbegebieten heben. Wie das geht, zeigen die 14 Windenergieanlagen im Hamburger Hafen“, so Hermann Albers. „Dafür braucht es entsprechende regulatorische Anpassungen. Die Baugesetze des Bundes bieten hier Ansatzpunkte. Bundesweit ließen sich dadurch zusätzliche Flächenpotenziale in diesen Gebieten heben.“
Sachsen-Anhalt ist Spitzenreiter, aber auch Schlusslicht Nordrhein-Westfalen kann Zwei-Prozent-Ziel erfüllen
Im bundesweiten Vergleich liegt Sachsen-Anhalt mit 11,1 Prozent möglicher Fläche für den Ausbau der Windenergie ganz vorn, gefolgt von Thüringen mit 9,6 Prozent und Brandenburg mit 8,3 Prozent.
Dicht dahinter auf Platz vier folgt Niedersachsen mit 7,8 Prozent, mit etwas Abstand auf Platz 5 Mecklenburg-Vorpommern (5,8 Prozent). Selbst Bayern, von wo aus der Widerstand gegen die Windkraft oft am stärksten ist, könnte laut Studie 4,6 Prozent seiner Fläche nutzen und liegt damit nur knapp hinter Schleswig-Holstein (5,2 Prozent) oder Sachsen (5,4 Prozent). Das dicht besiedelte Nordrhein-Westfalen kommt auf 2,7 Prozent und damit den niedrigsten Wert der Flächenländern, könnte aber das Zwei-Prozent-Ziel der Bundesregierung erfüllen.
„Die Studie zeigt klar, was wir bereits seit Jahren immer wieder betonen: Es gibt mehr als genug Flächen in der Bundesrepublik, die potenziell als Vorrangflächen für die Windenergie in Frage kommen. In allen Bundesländern kann das energiewirtschaftliche Potenzial der Windenergie deshalb stärker genutzt werden“, ordnet Hermann Albers die Ergebnisse der Studie ein.
Proteste gegen Ausbau der Windenergie sind politisch motiviert
Also auch in Bayern, in Baden-Württemberg und vor allem in Sachsen ist das Flächenpotenzial mehr als ausreichend. Die drei Länder hängen beim Ausbau bislang deutlich hinterher und haben angesichts ihrer energieintensiven Industrien enormen Nachholbedarf.
„In den Flächenländern gibt es nachweislich mehr als genug Platz. Die Flächenpotenziale für den Ausbau der Windenergie und damit ausreichende Energieproduktion sind eindeutig vorhanden“, betont BWE-Präsident Hermann Albers. „Dass die verfügbare Flächenkulisse aktuell so deutlich hinter den Zielen der Bundesregierung zurückliegt, ist also keine Frage der Verfügbarkeit – es ist eine Frage des politischen Willens auf Landesebene.“
Auf zwei Prozent der bundesweiten Fläche ließen sich 200 GW Leistung installieren, die aus heutiger Sicht 770 TWh sauberen Strom liefern könnten. Dafür wären 30.000 bis 35.000 Anlagen erforderlich. Die ausgewiesenen Flächen müssten dabei in jedem Fall bebaubar und vollständig nutzbar sein. Damit die Flächen auch effektiv genutzt werden können, braucht es moderne Anlagenparks. Hier kann die im Koalitionsvertrag angekündigte Vereinfachung für das Repowering eine entscheidende Weichenstellung werden.
„Der Ausbau der Windenergie braucht Flächen, Flächen brauchen politischen Gestaltungswillen“, so Hermann Albers. „Für große Flächenstaaten wie Bayern oder Baden-Württemberg heißt das: Die Zeit der Ausreden ist vorbei.“
Quellen: Fraunhofer IEE, BWE, Erneuerbare Energien, Mai 2022