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Repowering von Windkraftanlagen - Erfolgsfaktor der Energiewende steckt noch in der Bürokratie-Falle Modernisierung von Windkraftanlagen stockt bisher viel zu häufig durch aufwendige Genehmigungsverfahren

Ende 2020 liefen die EEG-Vergütungsansprüche für Windenergieanlagen aus, die bis einschließlich des Jahres 2000 installiert wurden. Davon betroffen waren Altanlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 3,8 bis 4 Gigawatt (GW). Bis 2025 werden jährlich durchschnittlich weitere 2,3 bis 2,4 GW folgen. Insgesamt werden also ca. 16 GW aus der EEG-Vergütung fallen, die nicht ersetzt werden können, sich für einen Weiterbetrieb technisch nicht eignen oder sich wirtschaftlich nicht rechnen.

Dem gegenüber steht ein schleppender Ausbau der Windenergie: In den letzten beiden Jahren sind nach Zahlen des Bundesverbandes Windenergie (BWE) nur 1,431 GW (2020) bzw. 1,925 GW (2021) neu errichtet worden. Infolge des gleichzeitigen Rückbaus von Windenergieanlagen bleibt jedoch nur ein Nettozubau von 1,208 GW (2020) bzw. 1,692 GW (2021). Bliebe es beim aktuellen Ausbautempo der Windenergie in Deutschland, dann würde in den kommenden Jahren die Kapazität aller Windkraftanlagen an Land also nicht wie vorgesehen wachsen, sondern schrumpfen.

In dieser Situation bietet das sogenannte Repowering von Windkraft-Altanlagen einen sinnvollen Ansatz. Denn eine einzige der heutigen modernen Windkraftanlagen kann die Leistung von bis zu sechs Anlagen des Baujahres 2000 oder älter erbringen.

"Bei den Windparks in Deutschland besteht großes Repowering-Potenzial, da sich die Technik seit dem Bau der ersten Windkraftanlagen hier vor knapp 20 Jahren deutlich weiterentwickelt hat", so Tim Wollmach, Projektleiter bei EnBW.

Repowering: Kaum Unterschiede im Vergleich zur Neuerrichtung

In Deutschland ist mit dem Begriff „Repowering“ der vollständige Rückbau bestehender Windenergieanlagen im Austausch gegen neue, leistungsfähigerer Modelle gemeint. In anderen Ländern versteht man unter Repowering auch die Modernisierung bestehender Anlagen durch das Auswechseln wesentlicher Komponenten.

Der Unterschied zu Neuerrichtungen ist in Deutschland relativ gering, denn beim Repowering gelten nahezu dieselben Anforderungen – von genehmigungsrechtlichen Auflagen über die Voraussetzungen bei der Planung bis hin zur Finanzierung und Durchführung. Die zu ersetzenden Altanlagen müssen vollständig und inklusive Fundament zurückgebaut und anschließend ordnungsgemäß entsorgt werden - oder aber sie finden auf dem Gebrauchtmarkt einen Abnehmer. Die Neuanlagen werden ebenfalls von Grund auf neu errichtet. Somit sind beim Repowering neben den Unternehmen, die für den Rückbau der Anlage zuständig sind, auch all jene involviert, die bei einer Neuerrichtung eine Rolle spielen.

Repowering entlastet Anwohner und Umwelt

Die Vorteile des Repowering liegen auf der Hand: Neue, leistungsstärkere Anlagen können mit geringerem Wartungs- und Reparaturaufwand an den gleichen Standorten deutlich höhere Erträge erzielen. Die Flächen werden effizienter genutzt und der Anteil an der Stromerzeugung erhöht. Ein eventueller Erlös aus dem Verkauf zurückgebauter Altanlagen kann zudem einen Teil der beim Repowering entstehenden Kosten kompensieren.

Darüber hinaus sind Windkraftanlagen der heutigen Generation trotz höherer Leistungsfähigkeit gerauschärmer, Iaufruhiger und haben eine geringere Drehzahl. Damit ist das Repowering auch im Hinblick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung von Vorteil. Und weil aufgrund beschränkter Netzanschlusskapazitäten Anlagen normalerweise nicht eins zu eins ersetzt werden können, wird die Umwelt entlastet und das Landschaftsbild aufgelockert. Der BWE geht zudem davon aus, dass der größere Freiraum zwischen Rotorblatt und Boden die Situation für windkraftsensible Tierarten verbessert.

Außerdem lässt sich ein Repowering-Projekt durch die langjährig bekannten Betriebsdaten der Altanlagen präziser planen und theoretisch zeitlich schneller umsetzen als ein Neubau. Doch gerade die Umsetzung wird in vielen Kommunen durch Genehmigungshürden und Gerichtsverfahren verzögert.

Repowering scheitert oftmals an Bürokratie

Die Schwierigkeiten beim Umsetzen von Repowering-Projekt gehen vor allem auf die Komplexität der Planungs- und Genehmigungsverfahren, auf Naturschutzregelungen und auf Akzeptanzprobleme zurück.

„Wenn unwirtschaftlich gewordene Anlagen abgebaut werden, brauchen neue Anlagen am gleichen Standort auch komplett neue Genehmigungen", kritisiert daher Christoph Markl-Meider, Sprecher des Windenergie-Projektierers Ostwind.

Und auch der Sprecher des Wiesbadener Projektierers ABO Wind, Alexander Koffka, beschwert sich: „Wenn Sie repowern wollen, wird der Standort so behandelt, als gäbe es dort keine Windenergieanlage.”

Bundesweit hängen aktuell zahlreiche Repowering-Projekte über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte in Genehmigungsschleifen fest. Viele davon scheitern am Ende. Und wenn der eigentlich wirtschaftliche Ersatz veralteter Windkraftanlagen durch neue Anlagen an kaum noch kalkulierbaren Zusatzkosten und Realisierungsrisiken scheitert, sinkt die Bereitschaft der Unternehmen für entsprechende Investitionen.

So machte Hermann Albers, Präsident des BWE, dann auch deutlich: „Es braucht vor allem eine deutliche Verkürzung von Verfahren in diesem Marktsegment, um eine Modernisierung des Anlagenparks zu erreichen.“ Und weiter: „Die Windenergie an Land und auf See braucht einen Re-Start, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes erreichbar zu machen. Die Branche steht in den Startlöchern.“

Erleichterung des Repowering durch Maßnahmenpakete der Bundesregierung

Die Bundesregierung hatte daher Maßnahmenpakete für Ostern 2022 und für Sommer 2022 angekündigt. Mit dem bereits im April vorgestellten Osterpaket wurden die Ausbauziele für Windkraft an Land deutlich erhöht. Bis 2030 sollen jährlich weitere 15 GW Windkraft an Land (insg. 115 GW bis 2030) installiert werden, die Genehmigungsverfahren für neue und höhere Windräder an Land beschleunigt und windschwache Standorte verstärkt erschlossen werden.

Mit dem Sommerpaket sollen Konflikte zwischen Energiewende und Artenschutz durch ein Windenergie-an-Land-Gesetz gelöst werden. Das Repowering soll vereinfacht werden, indem die Vorbelastung an den Standorten berücksichtigt und die Alternativenprüfung deutlich erleichtert wird.

„Das bürokratische Korsett, das hier den Ausbau einschnürt, muss gesprengt werden. Der Prüfumfang für die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen muss deutlich präzisiert und reduziert werden. Sämtliche Teilschritte des Verfahrens müssen auf die Beschleunigung hin umgestellt werden“, so Hermann Albers. „Repowering kann kurz- bis mittelfristig an bereits bestehenden Standorten große Leistungspotenziale heben. Keine andere Maßnahme könnte den Zubau derart schnell entfesseln. Wir sehen hier Potenziale bis 45 GW innerhalb der nächsten Jahre.“

Flächen sichern für das Repowering

Nach derzeit geltendem Recht können jedoch überhaupt nur 30 Prozent der Windenergieanlagen, die bis 2025 aus dem EEG fallen, repowert werden. Für die anderen 70 Prozent, fast einem Viertel des gesamten Windenergieanlagenbestandes in Deutschland, bleiben nur der Weiterbetrieb ohne Förderung oder der ersatzlose Rückbau. Denn laut Umweltbundesamt steht jede zweite alte Anlage außerhalb der heute planungsrechtlich für Windenergiegewinnung nutzbaren Flächen. Die meisten Kommunen haben mittlerweile Windvorranggebiete festgelegt, außerhalb derer der Bau einer Windkraftanlage unmöglich ist. Zudem gelten in einigen Ländern pauschale Mindestabstände zur Wohnbebauung, die die Wiedererrichtung einer Windkraftanlage am alten Standort ausschließen. In einzelnen Fällen stehen alte Windkraftanlagen sogar in Vogelschutzgebieten.

Die Voraussetzung zur Umsetzung erfolgreicher Repowering-Projekte sind daher zu allererst planungsrechtlich gesicherte Flächen.

Dazu Hermann Albers: „Einen Beitrag hierfür können die Bundesländer leisten: Sie können die rechtssichere Bereitstellung der notwendigen Flächen gewährleisten, durch eine verbesserte Personalausstattung in den Behörden die Genehmigungsverfahren beschleunigen und durch eine fokussierte Bearbeitung laufender Verfahren zusätzliche Genehmigungen ermöglichen.“

Doch neben beschleunigten Genehmigungsverfahren für neue Flächen gilt es auch, bereits bestehende Flächen effektiver zu nutzen.

„Nach langjähriger Nutzung sind Windparks in der Bevölkerung etabliert und akzeptiert. Mit einem stärkeren Fokus auf das Repowering kann die Zahl der einzelnen Anlagen reduziert, die erzeugte Strommenge gleichzeitig jedoch stark erhöht werden“, so Bärbel Heidebroek, Vizepräsidentin des Bundesverbands WindEnergie.

Mehr Repowering durch Standortverlagerung

Daher möchte der BWE „standortverlagerndes Repowering“ als politischen Begriff durchsetzen. An Standorten, an denen das Repowering eines Windparks nicht möglich ist, sollen Windparkbetreiber privilegierten Zugang zu neu ausgewiesenen Flächen bekommen, allerdings ohne das dies zu Lasten von Neuprojekten geht. Ziel ist der möglichst weitestgehende Erhalt von Bestandsflächen sowie die zusätzliche Ausweisung von neuen Flächen für das Repowering.

Der Verband hat dazu bereits Anfang März 2021 ein Papier mit Vorschlägen „zur Beschleunigung und Erleichterung des Repowering von Windenergieanlagen“ veröffentlicht. Dem BWE ist es grundsätzlich wichtig, dass bestehende Anlagenstandorte, an denen sich die Bevölkerung und auch die örtliche Fauna mit den Rotoren längst arrangiert haben, für den Klimaschutz nicht verloren gehen. Ein standortverlagerndes Repowering sollte nur erfolgen, wenn ein standorterhaltendes Repowering nicht möglich ist.

Standorterhaltendes Repowering definiert der BWE als Ersatz von Windkraftanlagen im Abstand von höchstens dem dreifachen Rotordurchmesser der neuen Anlage vom alten Standort. Demgegenüber knüpft das standortverlagernde Repowering die Errichtung der Ersatzanlage lediglich an den Abbau einer oder mehrerer Anlagen, ohne einen engen räumlichen Bezug zwischen Abbau und Errichtung zu fordern.

Der BWE unterstützt das bundesweite Ziel der Regierungskoalition, 2 Prozent der Landesfläche für die Windkraft zu nutzen, um die Klimaschutzziele erfüllen zu können. Bisher seien nur 0,9 Prozent der Bundesfläche für Windenergie ausgewiesen. Neue Gebiete für ein standortverlagerndes Repowering dürften jedoch nur dann dem 2-Prozent-Ziel zugerechnet werden, wenn die frei werdenden Altstandorte in gleichem Umfang abgezogen würden.

Aktuelle Gesetzesänderung: Repowering-Verfahren sollen vereinfacht werden

Um die Genehmigungsverfahren von Repowering-Vorhaben zu erleichtern und zu beschleunigen, hat der Deutsche Bundestag am 24.06.2021 einer entsprechenden Anpassung des Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zugestimmt.

Das überarbeitete Gesetz ist am 31.08.2021 in Kraft getreten und sieht unter anderem vor, dass bei Repowering-Verfahren nur Anforderungen geprüft werden sollen, die sich im Vergleich zum Ist-Zustand nachteilig auswirken können.
Bei der artenschutzrechtlichen Prüfung müssen die Auswirkungen der Altanlage als Vorbelastung berücksichtigt werden, denn repowerte Neuanlagen greifen in der Regel weniger in die Natur ein als die älteren Bestandsanlagen. Durch den größeren Abstand zwischen Rotorblattspitze und Erdboden bei den höheren Neuanlagen besteht ein niedrigeres Kollisionsrisiko für Tiere, die Anlagenzahl ist in den meisten Fällen geringer und die Tiere an diesem Standort sind bereits an Windkraftanlagen gewöhnt.
Eine Überschreitung der aktuellen Lärmschutzwerte ist für eine Genehmigung unschädlich, sofern die neue Windenergieanlage dem Stand der Technik entspricht und leiser als die Altanlage ist. Außerdem wird der maximale Abstand zwischen Alt- und Neuanlage geregelt (maximal das Zweifache der Gesamthöhe der neuen Anlage) sowie eine zeitliche Umsetzungsfrist für das Repowering (24 Monate ab Rückbau der Altanlage) genannt.

Doch vieles in der Neuregelung ist nicht schlüssig. Da der Begriff „Repowering“ im Gesetzestext sehr weit gefasst ist und auch den teilweisen Austausch von Anlagenbestandteilen zur Steigerung der Effizienz einschließt, ist beispielsweise nicht eindeutig ersichtlich, ob auch bereits für kleine Nachrüstungen eine Genehmigung erforderlich ist und eine einfache Anzeige nicht mehr ausreicht.

Die aktuelle Gesetzesänderung kann daher nur ein erster Schritt hin zu einer erleichterten und rechtssicheren Zulassung von repowerten Windenergieanlagen sein.

„Ein erster Schritt zur Vereinfachung für das Repowering wird unternommen. Dieser Schritt ist richtig und wichtig. Die Einzelmaßnahmen können jedoch eine durchgreifende Repoweringstrategie nicht ersetzen. Hier muss in der nächsten Legislatur noch einmal ein strategischer Aufschlag gemacht werden, der die Bundesländer einbindet“, mahnt deshalb auch Hermann Albers.

Der BWE fordert den Abbau von Genehmigungshemmnissen, Erleichterungen bei der Umsetzung von Repoweringprojekten und politische Regelungen, die angemessen zwischen Artenschutz und Klimaschutz durch Windenergie vermitteln. Außerdem muss die Genehmigungsfähigkeit von Windparks vereinfacht werden.

Klimaziele nur mit Repowering zu erreichen

Der Ausbau der Windenergie an Land spielt für die Erreichung der nationalen Energie- und Klimaziele Deutschlands eine zentrale Rolle. Der im Osterpaket 2022 definierte Zubau von 115 GW installierter Leistung bis zum Jahr 2030 kann jedoch nicht ausschließlich mit Neubauten realisiert werden. Um die gesetzlich festgelegten Ausbauziele zu erreichen, ist das Repowering von Altanlagen daher zwingend erforderlich.

Und richtig umgesetzt ermöglicht Repowering auch die bestmögliche Ausnutzung bestehender Standorte. Es entlastet die Umwelt, lockert das Landschaftsbild auf und wird von Anwohnern meist eher akzeptiert als Windpark-Neubauprojekte. Gleichzeitig erzielen die modernen Windenergieanlagen deutlich höhere Erträge bei gleichzeitig geringeren Kosten. Investitionen in Repowering-Maßnahmen sind also sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll.

„Deutschland kann der zentrale Markt für Repowering in Europa werden. Dieses industrie- und energiepolitische Potenzial gilt es jetzt zu erschließen“, fordert deshalb Hermann Albers.

 Quellen: Deutsche WindGuard, Solarserver, DIHK, wind-turbine.com, BWE, WID, windmesse.de, Mai 2022

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